Die Weihnachtsfeier – Benimmregeln in der Praxis

Da ich selber Chef von ca. 100 Mitarbeitern bin hier mal ein paar nicht ganz so ernst gemeinte Tipps:

Dieses Jahr wird alles anders. Nachdem ich bislang die zahlreichen „Was Sie besser lassen sollten“- beziehungsweise „So treten Sie nicht ins Fettnäpfchen“-Tipps einschlägiger Ratgeber für Weihnachtsfeiern immer brav befolgt hatte, werde ich dieses Jahr so richtig Spaß haben beim gemütlichen Sit-in unterm Tannenbaum. Ja, vielleicht werde ich sogar richtig die Sau rauslassen.

Mit dem Chef übers Business reden – der Karriere wegen

Dass man nicht auch noch auf Weihnachtsfeiern mit Kolleginnen und Kollegen übers Business sprechen soll, ist eigentlich gar kein schlechter Tipp. Wer das ganze Jahr über schuftet, braucht nicht ausgerechnet noch an der feierlich gedeckten Weihnachtstafel mit dem Team über die Arbeit zu sprechen. Irgendwann ist es mal gut.

Gäbe es da nicht den Hinweis einiger Weihnachtsfeierexperten, Gespräche übers Geschäft mit dem Chef seien durchaus erlaubt. Bitte? Bei meinen Kolleginnen und Kollegen soll ich den Mund halten, bei meinem Chef aber nicht? Gemeint ist Folgendes: Wer Karriere machen will, muss das auch auf Teufel komm raus auf der Weihnachtsfeier zeigen. Spätestens zwischen der gebratenen Gans und dem Zimtparfait sollte man dem Chef beweisen, welches Pfund man fürs Unternehmen ist: „Guten Abend, Chef. Eine coole Location haben Sie da ausgesucht. Richtig zauberhaft. Ach ja, was ich noch sagen wollte: Ich habe heute zwei neue Kunden an Land gezogen.“

Eigentlich liegt mir Small Talk, doch hatte mein Chef zwischen Hauptgang und Nachspeise für meine Themen kein Ohr. Stattdessen vertröstete er mich mit einem Besprechungstermin. Dabei wollte ich ihm doch nur zeigen, was er an mir hat. Keine Chance. Irgendwie konnte ich es ihm auch nicht verdenken bei dem ganzen Stress, den er hat. Und warum sollte er ausgerechnet meinetwegen riskieren, dass ihm das Zimtparfait zerläuft? Fazit: Meine Small-Talk-Energie ist dieses Jahr bei der neuen Kollegin vom Empfang besser investiert.

Nicht so viel trinken

Nein, auf Weihnachtsfeiern trinkt man kaum Alkohol, maximal zwei Gläser Wein. Außerdem kann man ja auch ohne Prozentiges fröhlich sein. Bislang aber saß ich jedes Mal todunglücklich da, nippte an Wasser und Apfelschorle und dachte an den Rat: „Sie wissen dann womöglich nicht mehr, was Sie sagen, und beleidigen Kollegen oder sogar Ihren Chef.“ Am anderen Ende des Tisches aber probierten sich die Kollegen munter durch die Weinkarte. Ohne negative Konsequenzen – außer dass ihre Konversation mit zunehmender Dauer an die von Steinzeitmenschen erinnerte. Den Chef aber störte das nicht. Auch konnte ich keine absichtlichen Bösartigkeiten, die der Alkoholkonsum anscheinend automatisch mit sich bringt, feststellen. Stattdessen ausgelassene Stimmung. Nein, auf Weihnachtsfeiern trinkt man Alkohol! Einen Aperitif, ein paar Gläser Wein und zum Abschluss noch einen Cocktail an der Bar.

Sich stilvoll und seriös kleiden

Auf irgendeiner der vorigen Weihnachtsfeiern probte ich schon einmal den Aufstand. Ich widersetzte mich dem Rat, meine Kleidung dem Ort der Feier entsprechend anzupassen. Dafür befolgte ich einen anderen, der da hieß: Eine Weihnachtsfeier ist keine Spaßveranstaltung. Entsprechend putzte ich mich heraus – Anzug, Hemd, Krawatte, Businessschuhe.

Doch Kegeln hat so seine Tücken. Schon beim ersten Versuch, alle Neune zu versenken, machte es „Ratsch“. Anzughose gerissen. Das hatte ich nun davon. Eine ruhige Kugel schob ich danach jedenfalls nicht mehr. Hätte ich lieber den Tipp mit dem Dresscode befolgt. Ein Anzug mit Krawatte hat auf einer Kegelbahn nichts verloren.

Gehen, wenn der Chef geht

Wann ich unsere Weihnachtsfeier in diesem Jahr verlassen werde, kann ich heute noch nicht sagen. Meine Erfahrung zeigt aber, dass es bestimmt wieder spaßig – und damit spät – werden wird. Also bleibe ich sitzen. Ich bleibe sogar dann noch sitzen, wenn mein Chef früher gehen sollte. Das ist schon des Öfteren passiert, und ich war nicht der Einzige. Am Ende fand sich immer eine Runde, mit der ich noch um die Häuser ziehen konnte. Schief angesehen wurde ich deshalb noch nie, obwohl einige Ratgeber sagen, man müsse dann aufbrechen, wenn der Chef es tut. Mein Chef wäre der Letzte, der mich zwingen würde, krampfhaft sitzen zu bleiben, nur weil er noch da ist. Oder zu gehen, wenn er sich verabschiedet. Und ich kann und will mir auch nicht ernsthaft vorstellen, dass so etwas auf irgendeiner Weihnachtsfeier Usus ist.

Ich wünsche Ihnen eine feucht-fröhliche, ausgelassene und vor allem selbstbestimmte Weihnachtsfeier. Bleiben Sie auch dort so, wie Sie sind!

Ein Kommentar

Kommentar hinterlassen