Vertrieb und Beratung passen nicht zusammen (21.06.2018)

21.6.2018 – Das Image der Branche, insbesondere der Vermittler, scheint dauerhaft beschädigt zu sein. Besserung ist nicht in Sicht. Der Grund dafür liegt im System, das auf einer durch die Anbieter forcierten Vermischung von Vertrieb und Beratung basiert, meint Hans-Jürgen Kaschak. Die Bedürfnisse der Kunden werden dabei missachtet. Zudem ist der Status des unabhängigen Vermittlers bedroht, schreibt der Coach und Versicherungsmakler in seinem Gastbeitrag.

Seit Jahren kämpft die Branche der Versicherungs- und Finanzdienstleister mit einem schlechten Image. Vielfältig werden unterschiedliche Ursachen diskutiert – der wahre Grund dieses negativen Images jedoch liegt meiner Ansicht nach im System begraben.

Hans-Jürgen Kaschak (Bild: privat)Hans-Jürgen Kaschak (Bild: privat)

Hierzu muss man bei den unterschiedlichen Themen Vertrieb und Beratung zunächst die Grundlagen in die Bereiche Bedürfnis, Interesse und Position aufteilen.

Das Bedürfnis des Vertriebes besteht in erster Linie darin, die Existenz des Anbieters zu sichern. Das Interesse besteht im Absatz möglichst vieler Produkte und in hohen Renditen. Die Position des Vertriebes wird im Idealfall darin gesucht, den Markt entscheidend beeinflussen zu können.

Unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen

Bei der Beratung gibt es zu diesen drei Bereichen jeweils zwei Seiten zu bewerten. Einerseits die Seite des Beratenden und andererseits die Seite des Kunden. Der Beratende hat das Bedürfnis, mit seiner Beratungsdienstleistung ebenfalls seine Existenz zu sichern. Hierbei besteht somit Kongruenz zwischen Vertrieb und Beratung.

Das Bedürfnis des Beratenden besteht darüber hinaus in einer zielgerichtet zu erbringenden Dienstleistung, damit der Kunde den Beratenden – so ist schließlich dessen Interesse – weiter beauftragt wie auch eine positive Empfehlung aussprechen kann. Hier zeigt sich bereits ein erster Unterschied zwischen Vertrieb und Beratung, der vielen nicht bewusst ist. Das Streben des Beratenden besteht nämlich darin, gegenüber seinem Kunden die Position eines Experten einzunehmen.

Aus Sicht des Kunden besteht das Bedürfnis darin, in einem Themenbereich, in welchem er sich nicht auskennt, Klarheit zu erlangen. Das Interesse besteht darin, ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis bei etwaigen Einkäufen zu erzielen. Die Position des Kunden ist damit die des Suchenden.

Vermischung von Vertrieb und Beratung

Nun bietet der Markt in Folge unzähliger Vertriebswege auch unterschiedliche Möglichkeiten an, damit der Absatz von Produkten vorangetrieben oder eine beratende Dienstleistung erworben werden kann. In der Finanzbranche besteht jedoch die Eigenheit, dass der Markt durch die Produktgeber in massiver Art gesteuert und beeinflusst wird. Ein probates Mittel hierbei ist sicherlich die Provision, die sich im Direktvertrieb oder im Onlinevertrieb gerne auch als Werbebudget darstellt.

In jedem Vertriebskanal wird stets suggeriert, dass Beratung betrieben wird. Obwohl den Anbietern durchaus bewusst ist, dass der Endverbraucher den Unterschied von „unabhängiger“ Beratung und Produktberatung nicht versteht beziehungsweise nachvollziehen kann.

Die Vermengung von Vertrieb und Beratung ist letztlich die Folge eines zu stark Einfluss nehmenden Vertriebsgedankens.

Aus der Vermischung von Vertrieb und Beratung mit dem Fokus auf der reinen Produktberatung speist sich nun das negative Image der Branche. Deren schlechter Ruf bezieht sich schwerpunktmäßig eben nicht auf schlechte Produkte. Die Vermengung von Vertrieb und Beratung wiederum ist letztlich die Folge eines zu stark Einfluss nehmenden Vertriebsgedankens.

Beinflussung durch die Anbieter

Die nicht vertriebsgedanklich geprägte Beratung sollte dem Grunde nach seitens der unabhängigen Berater auch erbracht werden, wenn diese den Status des Maklers einnehmen. Direkt wie auch indirekt beeinflusst wird diese Form der Beratung jedoch nach wie vor durch die Anbieter. Selbst die Beratung gegen Honorar unterliegt in Teilen der Anbieterbeeinflussung.

Dass Anbieter auch die ungebundene Beratung nicht als solche verinnerlicht haben, zeigt als kleines Beispiel ein Blick in Fachzeitschriften. Hier werden nach wie vor Anzeigen mit Angeboten für den „Vertrieb“ geschaltet. Zielgruppe dieser Anzeigen sind die ungebundenen Berater, die jedoch dem Sinne nach nicht der Vertrieb der Anbieter sind. Sie sind vielmehr Beratungsdienstleister, die vom Kunden beauftragt wurden.

Es obliegt der Eigenverantwortung jedes Beraters, sich dieser Systematik auf Wunsch zu entziehen.

Schwierig wird es auch dann, wenn Anbieter Auskünfte verweigern oder nicht eine Vereinbarung mit den Beratern zur Auszahlung von im Beitrag enthaltenen Provisionen eingehen wollen.

Die Beratung nach dem Bedürfnis des Kunden hat demnach das Problem der massiven Einflussnahme durch den Vertriebsgedanken, der grundsätzlich auch nicht verwerflich ist. Es obliegt auch der Eigenverantwortung jedes Beraters, sich dieser Systematik auf Wunsch zu entziehen. Bewusst sein muss einem jedoch auch, dass dies womöglich keine Gewähr dafür ist, das eigene Bedürfnis nach einer Existenzgrundlage zu sichern.

Falsche Anreize in der Beratung

Dass sich das Image der Branche gravierend verbessert, ist aufgrund des herrschenden Systems und des nach wie vor stark verwurzelten Vertriebsgedankens bei Beratern meines Erachtens nicht zu erwarten. Allerdings wird es vereinzelt dadurch Verbesserungen geben, dass sich Berater der eigenen und der Bedürfnisse, Interessen und Positionen des Kunden mehr und mehr bewusst werden.

Die jahrzehntelang seitens der Anbieter aufgebaute Vertriebsideologie stellt heute eine der elementaren Ursachen für das schlechte Image der Branche dar.

Als ein Fazit ist zudem festzustellen, dass auch der sogenannte ungebundene Vertrieb in erster Linie nichts anderes ist als ein Vertrieb von meist ausgewählten Produkten unterschiedlicher Anbieter. Und gerade die jahrzehntelang seitens der Anbieter aufgebaute Vertriebsideologie, die in nahezu jedem Kopf der beratenden Protagonisten verwurzelt ist, stellt heute eine der elementaren Ursachen für das schlechte Image der Branche dar.

Diese Ideologie treibt die Berater an und fördert in vielen Fällen falsche Anreize in der Beratung. Sie führt jedoch auch in hohem Maße dazu, dass die Branche schwerlich Newcomer für die Beratung findet. Denn der Nachwuchs hat aus selbst gewonnener Erfahrung schon lange das System erkannt und sieht gerade hierin keinen Anreiz mehr für eine Tätigkeit in der Beratung.

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