Bisher haben vor allem Millionäre in Start-ups investiert, doch das hat sich geändert. Jetzt haben auch Privatanleger die Möglichkeit, ihr Geld in Jungunternehmen zu stecken – ein ziemlich riskantes Geschäft.
In der Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ präsentieren Gründer ihre Geschäftsidee und können gegebenenfalls mit einer Finanzspritze der prominenten Investoren rechnen. Im wirklichen Leben können solche Finanzspritzen aber auch von Privatanlegern verabreicht werden. Foto: Bernd-Michael Maurer/Vox
München – Als Tüftler Detlev Sommer vor einem Millionenpublikum überzeugen will, versucht er es mit der Brechstange. In der Fernsehshow „Höhle der Löwen“ erzählt Sommer, wie man sich vor Einbrechern und ihren Metallhaken schützen könne – mit seinem Fensterschnapper. Der Erfinder lässt mit der Brechstange demonstrieren, dass man dank seines Metallgeräts künftig keine Fenster mehr aufhebeln könne. Überzeugt das die fünf anwesenden Investoren, werden sie Geld in die Idee des Gründers stecken? Tech-Investor Frank Thelen wiegt nachdenklich den Kopf, der bekannte Geschäftsmann Ralf Dümmel blättert geschäftig in seinen Unterlagen. Dann folgen zehn Minuten Plauderei und einige Fragen, fertig ist der Deal. Dümmel investiert.
Wenn die Investoren-Löwen allwöchentlich im Fernsehen in ihren Sesseln sitzen und vielversprechenden Start-ups Geld geben, sieht das für die Zuschauer verlockend leicht aus: Einfach mit Gründern einen Deal machen – und später viel Geld. Was bis vor Kurzem allerdings millionenschweren Investoren wie Thelen und Co. vorbehalten war, können jetzt auch Kleinanleger mit Aktien, Beteiligungsunternehmen und Crowdinvesting tun. Doch manche Investments sind extrem riskant, was sollten Anleger beachten?
Einzelaktien
Bisher musste der Kochbox-Lieferant Hello Fresh Zucchini, Hackbällchen und Knödel liefern. Seit Anfang November soll er auch noch etwas anderes bringen: gute Ergebnisse an der Börse. Das junge Unternehmen ist das aktuellste Beispiel einer Reihe von Start-ups, die den Weg aufs Parkett beschritten haben. Vom Versandhändler Windeln.de über den Essenslieferanten Delivery Hero bis hin zur Shop-Apotheke. Die Performance der Unternehmen fällt unterschiedlich aus.
Während die Shop-Apotheke ihren Kurs seit dem Börsengang um 80 Prozent steigern konnte, büßte Windeln.de seit seinem Start auf dem Parkett rund 85 Prozent ein. Generell gilt: Papiere von Start-ups bergen ein höheres Risiko als Aktien von Traditionskonzernen. Denn während Anleger bei etablierten Unternehmen ein solides Wachstum erwarten, sollen die Kurse der Jungunternehmen ihrer Vorstellung nach sofort durch die Decke gehen. „Die Wachstumserwartungen der Anleger an Start-ups sind häufig nicht sehr realistisch“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Enttäuschte Hoffnungen wiederum können die Kurse unter Druck geraten lassen.
Unternehmens-Schmieden
Statt auf einzelne Unternehmenstitel zu setzen, bevorzugen manche Anleger die Aktien von Start-up-Schmieden wie Rocket Internet, der German Startups Group oder Finlab. Diese Unternehmen investieren meist gleich in Dutzende Start-ups und päppeln sie hoch, um die Unternehmen am Ende gewinnbringend an die Börse zu bringen oder zu verkaufen. Besonders starke Unternehmen im Portfolio können dabei Verluste bei Problemfällen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, das ist der Vorteil eines Beteiligungsunternehmens. „Das Risiko eines Totalverlusts ist sicherlich geringer, aber eine Erfolgsgarantie ist es auch nicht“, sagt Aktionärsschützer Kurz. Das zeigt die Aktie von Rocket Internet, die zu Hochzeiten bei knapp 57 Euro notierte, heute jedoch nur noch bei rund 20 Euro liegt. Anleger müssen sich also genau ansehen, in welche Gründer das Unternehmen investiert.
Schwarminvestments
Das Smartphone ganz ohne Kabel aufladen, Arzttermine online buchen – mit diesen findigen Ideen werben Gründer im Internet um Geld. Auf Crowdinvesting-Portalen wie Companisto oder Seedmatch können Anleger schon mit Kleinbeträgen ab 100 Euro in die Start-ups investieren. Für fünf bis acht Jahre gewähren sie den Unternehmern meist ein sogenanntes Nachrangdarlehen und bekommen dafür einen kleinen Basiszins. Erwirtschaften die Start-ups Gewinne, beteiligen sie die Anleger daran. Verkaufen die Gründer ihr Unternehmen am Ende, können die Anleger auch dabei mitverdienen und im besten Fall ein Vielfaches des Einsatzes verdienen. Wohlgemerkt: im besten Fall.
Denn gerade junge Unternehmen mit unerprobten Geschäftsmodellen laufen schnell Gefahr, das Geld in den Sand zu setzen. Einer Studie der deutschen Crowdinvesting-Branche aus dem vergangenen Jahr zufolge sind bislang rund 14 Prozent der Start-up-Projekte ausgefallen. Datenanalytiker aus Großbritannien kamen 2015 auf eine Ausfallrate von 20 Prozent auf britischen Plattformen. „Crowdinvesting ist keine Anlageform für Kleinanleger, denn die Kohle kann am Ende weg sein“, sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Bremen. „Und zwar komplett weg.“
Schlittert das Unternehmen in eine Pleite, sind die Anleger doppelt im Hintertreffen. Haben sie ein Nachrangdarlehen, müssen die Start-ups Banken und andere Gläubiger zuerst auszahlen. „Wenn eine Pleite kommt, sind alle anderen vor mir dran – ich komme erst ganz zum Schluss“, erklärt Verbraucherschützerin Oelmann. Anleger sollten ihr Geld daher bei jeder Art von Investment in Start-ups auf mehrere Projekte verteilen und maximal zehn Prozent ihres Anlagevermögens in die Jungunternehmen stecken. Denn als kleiner Wicht mit den großen Löwen zu spielen, ist nicht nur im echten Leben gefährlich.